Das Betreuungsgeld: Essentieller Baustein kindeswohlorientierter Familienpolitik
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Ich bitte Sie, dem
Gesetzentwurf zur Einführung eines Betreuungsgeldes zuzustimmen. Das
Betreuungsgeld ist ein essentieller Baustein kindeswohlorientierter Familienpolitik
und deshalb unverzichtbar. Es erweitert die Gestaltungsspielräume für
diejenigen Eltern, die die Betreuung ihres ein- oder zweijährigen Kindes
familiär leisten oder privat organisieren und deshalb von ihrem ab August 2013
geltenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz keinen Gebrauch machen
wollen. Es sichert die freie Wahl zwischen Krippenplatz, Tagesmutter,
familiennaher Bezugsperson oder persönlicher Betreuung. Es sorgt so –
korrespondierend zum Rechtsanspruch – für die notwendige und gesellschaftspolitisch
gebotene Balance in der Familienpolitik. Das Betreuungsgeld wurde 2007 von der
damaligen großen Koalition vereinbart – mit den Stimmen der SPD!
Diese Leistung war die Bedingung für die Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Geburtstag. Damals wie heute gilt: Wir wollen den Eltern nichts vorschreiben, sondern unterschiedliche Optionen bieten!
Wir wollen Familie ermöglichen und nicht lenken. Eltern sollen möglichst frei entscheiden können und deshalb brauchen wir das Betreuungsgeld.
Diese Leistung war die Bedingung für die Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Geburtstag. Damals wie heute gilt: Wir wollen den Eltern nichts vorschreiben, sondern unterschiedliche Optionen bieten!
Wir wollen Familie ermöglichen und nicht lenken. Eltern sollen möglichst frei entscheiden können und deshalb brauchen wir das Betreuungsgeld.
Die Besorgnis, das
Betreuungsgeld setze bildungs- und integrationspolitische Fehlanreize, ist
unbegründet. Entwicklungspsychologen und Hirnforscher weisen seit langem darauf
hin: Bindung ist die Basis der ganzen Persönlichkeitsentwicklung. Und diese
Basis wird in den ersten Lebensjahren gelegt. Gerade in diesem sensiblen Alter
kommt es deshalb in besonderer Weise auf die Bindung zu primären Bezugspersonen
an. Auch Bildung baut auf einer verlässlichen Bindung auf. Die emotionale
Zuwendung der wichtigsten Bezugspersonen ist jedoch keine Frage des
Bildungsabschlusses oder der Herkunft der Eltern! Eltern mit Migrationshintergrund
sind genauso gute Eltern wie Eltern ohne Migrationshintergrund. Ärmere Eltern
sind genauso gut wie wohlhabendere. Forschungsbefunde weisen auch auf Risiken
bei einem zu frühen oder zu langen Krippenbesuch hin. Wenn ein Kind mit
Trennungsängsten von seiner Bezugsperson kämpft, helfen kognitive Impulse durch
die Krippe wenig.
Der renommierte dänische
Familientherapeut Jesper Juul etwa sagt ganz klar: „Wir wissen, dass rund ein Fünftel der Ein- bis Zweijährigen darunter
leiden, in die Kita gehen zu müssen, weil sie Trennungsängste haben.“
Es gibt keine pauschalen
Antworten auf die Frage, ob und ab welchem Alter die Krippe einem Kind gut tut.
Jedes Kind ist anders, jedes Kind hat seine eigene Entwicklung und sein eigenes
Tempo. Maßgeblich für die Wahl der richtigen Betreuungsform muss die
individuelle Situation des Kindes und der Familie sein. Und das können die
Eltern am besten beurteilen.
Das Betreuungsgeld leistet
einen zentralen Beitrag, die in Art. 6 Abs. 1 GG verankerte Wahlfreiheit der Eltern
zu stärken. Der Gesetzgeber hat die familiären Gestaltungsspielräume in den
ersten drei Lebensjahren eines Kindes besonders privilegiert: durch die
Elternzeit, das Unterhaltsrecht und die rentenrechtliche Berücksichtigung von
Kindererziehungszeiten.
Mit dem Betreuungsgeld wird
das zweite und dritte Lebensjahr des Kindes mit einer Leistung ausgestattet,
die Eltern hilft, ihre in der Verfassung und im Arbeits-, Sozial-, Unterhalts-
und Rentenrecht geschaffenen Handlungsoptionen ihren Vorstellungen gemäß zu
gestalten.
Wir wollen kein
Lebensmodell vorschreiben, sondern Alternativen bieten.
Das Betreuungsgeld soll
daher weder an den Verzicht auf die Erwerbstätigkeit noch an die Eigenbetreuung
der Eltern geknüpft werden, auch wenn leider nach wie vor vielfach das Gegenteil
behauptet wird. Deshalb ist das Betreuungsgeld auch so entwaffnend unschuldig.
Und deshalb gehen auch die verfassungsrechtlichen Bedenken ins Leere.
Durch das Betreuungsgeld
werden
- keine traditionellen Rollenverteilungen zwischen Frauen und Männern verfestigt,
- die Familienförderung nicht auf einen bestimmten Typus eingeengt und
- Eltern nicht von der Erwerbstätigkeit abgehalten.
Demzufolge führt das
Betreuungsgeld auch nicht zu einer höheren Armutsgefährdung, sondern
ganz im Gegenteil zu einer finanziellen Unterstützung des individuellen
Betreuungskonzepts. Mit dem Ausbau der Kinderbetreuungsplätze und der
Verankerung des Rechtsanspruchs auf einen Krippen- bzw. Tagespflegeplatz ab dem
2. Lebensjahr wurde ein Schwerpunkt bei den institutionellen
Betreuungsangeboten gesetzt.
Mit der Verankerung des Betreuungsgeldes wird in einem zweiten Schritt das Spektrum der den Eltern zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen erweitert und die in Art. 6 Abs. 1 GG verankerte Wahlfreiheit der Eltern gestärkt.
Der erste Gesetzgebungsakt hat daher den zweiten vorprogrammiert. „Entweder oder“ heißt „Lenkung“. „Sowohl als auch“ bedeutet „Wahlfreiheit“. Deshalb brauchen wir beides: den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz und das Betreuungsgeld.
Mit der Verankerung des Betreuungsgeldes wird in einem zweiten Schritt das Spektrum der den Eltern zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen erweitert und die in Art. 6 Abs. 1 GG verankerte Wahlfreiheit der Eltern gestärkt.
Der erste Gesetzgebungsakt hat daher den zweiten vorprogrammiert. „Entweder oder“ heißt „Lenkung“. „Sowohl als auch“ bedeutet „Wahlfreiheit“. Deshalb brauchen wir beides: den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz und das Betreuungsgeld.
Nach den Vorstellungen der
Länder, die die Einberufung des Vermittlungsausschusses fordern, sollen die für
das Betreuungsgeld erforderlichen Finanzmittel zusätzlich in den Ausbau der
Krippenplätze investiert werden. Sie wollen alles auf die Karte „Krippenausbau“
setzen.
Das ist nicht das, was sich
Familien in Deutschland von der Politik erwarten. Familien wollen nicht auf das
eine Modell, Kinder möglichst früh und umfänglich in die Krippe zu geben, festgelegt
werden. Bayern steht daher für beides: für den dynamischen Ausbau der Betreuung
für Kinder unter drei Jahren und das Betreuungsgeld. Eine aktuelle
Studie des Allensbach-Institutes [im Auftrag von Bild der Frau und BMFSFJ:
„Chancengerechtigkeit durch Förderung von Kindern – Ein deutsch-schwedischer
Vergleich“, 2012] kommt zu dem Ergebnis, dass lediglich 27 % der Deutschen der
Meinung sind, dass es für die Entwicklung eines Kindes in den ersten drei
Lebensjahren am besten ist, wenn es auch eine Kinderbetreuungseinrichtung
besucht.
Umgekehrt sieht also ein
großer Teil der Eltern in der Krippe keine ideale Lösung. Es gibt nicht die
Familie. Familie ist bunt und das soll sie auch sein können. Es sind deshalb
ganz unterschiedliche Gründe, warum sich Eltern für eine Lösung jenseits der
Krippen entscheiden:
Was antworten wir den
Eltern, die Schicht- oder Spätdienst arbeiten und die deshalb auf eine privat
oder familiär organisierte Betreuung gerade auch in diesen Zeiten angewiesen
sind? Was antworten wir den Eltern, die sich über ihr drittes oder viertes Kind
freuen und angesichts des Zeitbedarfs dieses Familienunternehmens Erwerbs- und
Familienarbeit bewusst aufteilen wollen?
Was antworten wir den Eltern, deren Kind als Frühchen mit einem Handicap ins Leben startet, denen angesichts der Fülle von Arzt- und Frühförderterminen keine Wahl bleibt?
Diese Eltern sind auf Alternativen angewiesen, wir dürfen sie nicht im Regen stehen lassen!
Ein Krippenplatz entspricht einem Sachwert von rund 1.000 Euro monatlich, andere Betreuungslösungen wurden bislang weitestgehend als Privatangelegenheit der Eltern betrachtet. Diese Schieflage darf nicht noch weiter verstärkt werden. Der Ausbau eines bedarfsgerechten Kinderbetreuungsangebots für unter Dreijährige steht nicht in Konkurrenz zum Betreuungsgeld. Eltern brauchen beides.
Was antworten wir den Eltern, deren Kind als Frühchen mit einem Handicap ins Leben startet, denen angesichts der Fülle von Arzt- und Frühförderterminen keine Wahl bleibt?
Diese Eltern sind auf Alternativen angewiesen, wir dürfen sie nicht im Regen stehen lassen!
Ein Krippenplatz entspricht einem Sachwert von rund 1.000 Euro monatlich, andere Betreuungslösungen wurden bislang weitestgehend als Privatangelegenheit der Eltern betrachtet. Diese Schieflage darf nicht noch weiter verstärkt werden. Der Ausbau eines bedarfsgerechten Kinderbetreuungsangebots für unter Dreijährige steht nicht in Konkurrenz zum Betreuungsgeld. Eltern brauchen beides.
Erfolgreiche Bildungsländer
wie Finnland, Schweden oder Norwegen haben seit Jahren ein Betreuungsgeld für
Eltern, die sich für ein anderes Modell entscheiden als für den öffentlich
finanzierten Betreuungsplatz.
Auch Deutschland sollte
seinen Familien mehrere Optionen bieten. Deshalb bitte ich Sie, dem
Gesetzentwurf zuzustimmen.
Vielen Dank!