Frau Präsidentin, meine
Damen und Herren! Ich bitte Sie, den Entschließungsantrag des Landes
Baden-Württemberg abzulehnen.
Das Betreuungsgeld ist
unverzichtbar. Es erweitert die Gestaltungsspielräume für die Eltern von ein- und
zweijährigen Kindern, die ab 2013 eben nicht einen Krippenplatz brauchen, die
die Betreuung ihres ein- oder zweijährigen Kindes selbst leisten oder privat
organisieren wollen.
Der Rechtsanspruch auf
den Krippenplatz und das Betreuungsgeld gehören untrennbar zusammen. Das
Betreuungsgeld wurde 2007 von der damaligen großen Koalition vereinbart und
2008 mit den Stimmen der SPD, Frau Kollegin Altpeter, im SGB VIII fixiert. Das
war die Bedingung für die Einführung des Rechtsanspruchs auf den Krippenplatz
ab dem 1. Geburtstag.
Nur im gemeinsamen
Setting von Krippenausbau und Betreuungsgeld entsteht sinnvolle und zeitgemäße
Familienpolitik. Eines allein wäre verfassungswidrig und gesellschaftspolitisch
verfehlt.
Vielfalt statt Einfalt
– das gilt doch auch in der Wirtschaftsförderung. Oder käme dort jemand auf die
Idee, künftig nur noch eine bestimmte Gesellschaftsform zu fördern?
Auch wenn es von den
Gegnern des Betreuungsgeldes und einem Großteil der Medien hartnäckig ignoriert
wird – meistens, weil es ihnen ihre Story kaputt machen oder ihrer Argumentation
den Furor nehmen würde: Das Betreuungsgeld wird weder an Erwerbstätigkeit noch
an interne Aufgabenverteilung in der Familie geknüpft. Es spielt keine Rolle,
ob Eltern die häusliche Betreuung ihres Einjährigen selber leisten oder sich
dazu Unterstützung organisieren. Es ist
egal, ob sie arm oder reich sind. So ist es am 6. November 2011 von der
Koalition festgelegt worden, und so wird es kommen. Schließlich steht der
Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz auch jedem zu, ob erwerbstätig oder
nicht, ob Millionär oder alleinerziehende Kindergärtnerin.
Deshalb ist das
Betreuungsgeld so enttäuschend unschuldig. Es ist tatsächlich der falsche
Schauplatz für ideologische Grabenkämpfe. Man überfordert das Betreuungsgeld,
wenn man es allein mit der Anerkennung von Erziehungsleistung auflädt, was
manchem Befürworter im Eifer des Gefechts passiert. Niemand sollte die Qualität
elterlicher Erziehungsleistung von der Wahl der Betreuungsform abhängig machen.
Auch Krippeneltern erziehen selbstverständlich ihre Kinder gut und geben ihnen
Zeit und Zuwendung. Gerade Kinder, die früh und lang in der Krippenbetreuung
sind, brauchen übrigens besonders kompetente Eltern; denn Krippe kann im
Einzelfall auch Stress sein. Daher ist es auch so unsinnig, wenn immer wieder
thematisiert wird, dass Krippen Reparaturbetriebe für Elternversagen sein
könnten.
Da das Betreuungsgeld
weder an eine Einschränkung oder an einen Verzicht auf die Erwerbstätigkeit
geknüpft ist noch eine Eigenbetreuung durch die Eltern voraussetzt – so ist es
vereinbart -, gehen auch die rechtlichen Gutachten ins Leere, auf die sich der
Entschließungsantrag von Baden-Württemberg stützt; denn sie gehen von diese unzutreffenden
Prämissen aus.
Das Betreuungsgeld ist
nicht nur nicht verfassungswidrig, sondern es ist im Lichte des massiven
Krippenplatzausbaus und des Rechtsanspruchs ein Gebot im Sinne der Artikel 3
und 6 Grundgesetz.
Der Staat hat sich
vorgenommen, der Gruppe von Eltern, die ein- und zweijährige Kinder zu betreuen
haben, zu helfen; denn die Betreuung kostet in jedem Fall Zeit, und Zeit ist
Geld. Der Staat sagt: Das ist jetzt eine öffentliche Aufgabe, wir wollen da
helfen. Wir stellen eine Sachleistung zur Verfügung. Das ist der Krippenplatz,
der den Steuerzahler 1.000 Euro im Monat kostet. Wer diesen nicht brauchen
kann, der bekommt Bargeld, das deutlich niedriger ist.
Eine ähnliche
Konstruktion haben wir in der Pflege. Dort kann man die Sachleistung, die
Pflegeleistung in der Einrichtung wählen, oder man bekommt Pflegegeld als
pflegender Angehöriger. Glücklicherweise käme niemand auf die Idee zu fragen,
ob mit dem Pflegegeld richtig umgegangen wird, ob es dem zu pflegenden
Angehörigen zugute kommt. Das sagt auch bei der Frage „Krippe oder Betreuungsgeld“
nur derjenige, der die Krippe für den besseren Weg hält.
Wir müssen endlich
wegkommen von den Zeiten, da der Staat in Familien hineinregiert und durch
Weichenstellungen schlechtes Gewissen erzeugen will, Eltern noch stärker
verunsichert, statt sie zu stärken, zu ermutigen, zu stützen und auf sie zu
bauen. Der kluge Staat tut das, weil er weiß, er wird nie in der Lage sein,
ihre Leistung zu ersetzen. Der Staat kann nur Geld, aber nicht Elternliebe
geben.
In der Diskussion ist
oft die Frage zentral, ob die Krippe eine Bildungseinrichtung ist. Ja, sie ist
eine Bildungseinrichtung, genauso wie jeder Umwelteinfluss Ein- und Zweijährige
bildet; nein, wenn dieser Begriff unterstellen soll, was einmal so verheerend
falsch formuliert wurde: Wer sein Kind nicht mit einem Jahr in der Krippe hat,
lässt es Bildungschancen versäumen! Das war der Beginn einer ideologischen
Aufladung der Debatte und Verunsicherung der Eltern unter Dreijähriger, ein
Beginn der geradezu zwingend nach einer Balance durch ein Betreuungsgeld als notwendiges
Gegenstück gerufen hat; denn Bildungsort Nummer eins ist die Familie.
Vor einigen Tagen
wurden wir miteinander durch einen Artikel gegen das Betreuungsgeld
strapaziert, der die Botschaft hatte, ein Betreuungsgeld wäre den Franzosen nie
eingefallen. In der Tat wäre es den Franzosen nie eingefallen, Eltern, die ihr
unter dreijähriges Kind zu Hause betreuen, mit nur 150 Euro abzuspeisen. In
Frankreich gibt es ein Betreuungsgeld für die Betreuung zu Hause, das
gestaffelt zwischen 323 und 563 Euro liegt, und wenn man mehr Kinder hat, geht
es bis zu 805 Euro. Wenn man eine Kinderfrau einstellen will und nicht die
Krippe in Anspruch nimmt, übernimmt der französische Staat die
Sozialversicherungsbeiträge für die Kinderfrau. Die „SZ“ beschrieb bereits 2009
den Wandel der französischen Familienpolitik, Kinder aus der frühen
Krippenbetreuung wieder zurück in die Familien zu holen, unter dem Titel „Ihr
Kinderlein kommet zurück“.
Schweden, Norwegen und
Finnland fällt es im Traum nicht ein, Eltern unter Dreijähriger mit 150 Euro
abzuspeisen, wenn sie keinen Krippenplatz brauchen. Dort ist das Betreuungsgeld
deutlich höher, allerdings – das ist richtig- vor allem interessant für
Bezieher niedriger Einkommen. Der Grund dafür: Zum Beispiel in Schweden ersetzt
das Elterngeld bis zu 90 Prozent des Lohns und ist so flexibel zu handhaben,
dass die Eltern dort regelmäßig faktisch Auszeiten nehmen, bis die Kinder zwei
Jahre alt sind. Die Krippen nehmen dort kein Kind, das unter eineinhalb Jahre
alt ist.
Ich danke an dieser
Stelle einer wahlkämpfenden Sozialdemokratin, die kürzlich geoutet hat, worum
es im Grunde geht, nämlich den Kita-Zwang. Da wird die Ideologie klar
erkennbar. Das treibt auch die letzten Zweifler in unsere Reihen; denn wir
wissen, dass zwei Drittel der jungen Eltern die Betreuung ihres einjährigen
Kindes in dieser sensiblen Bindungsphase anders organisieren wollen als mit Krippen.
Wir sagen: richtig so! Auch das wollen wir unterstützen.
Wir in Bayern – das ist
aber auch bundesweit der Fall; ich finde, da redet man die Anstrengungen der
Kommunen immer ein bisschen schlecht – haben eine Dynamik im Ausbau von
Krippenplätzen, die sich sehen lassen kann.
Wir in Bayern geben
momentan im Jahr über 1 Milliarde Euro nur an Betriebskostenförderung aus. Auf
die 340 Millionen Euro, die der Bund nach Bayern gegeben hat, haben wir bis heute
700 Millionen für den Ausbau und die Betriebskostenförderung draufgelegt. Schön,
dass Baden-Württemberg langsam auch hinterherkommt! Wir haben eine
Bedarfsdeckung, die ihresgleichen sucht, und werden den Rechtsanspruch im
nächsten Jahr flächendeckend erfüllen können, bis auf manche Großstädte, wo es
noch ein bisschen uneinsichtige Oberbürgermeister gibt.
Wir wollen aber die
zwei Drittel der Eltern stützen, die sich eine andere Lösung für ihre Kinder
vorstellen, weil unser Menschenbild, unser Bild von der Gesellschaft so
aussieht: Vielfalt fördern statt Einfalt. Alle Länder, die hohe Geburtenraten
haben, fördern die Vielfalt der Familienentwürfe. Deswegen bitte ich um
Ablehnung der Entschließung.